Randecker Maar
 

Der "Gatter Mini"

Nach Kriegsende richtete sich Willibald Gatter ein Ingenieurs- und Konstruktionsbüro im württembergischen Kirchheim unter Teck ein und bemühte sich um Aufträge aus der Automobilindustrie. Er speziallisierte sich auf "Motoren und Fahrzeugbau, Sonder-Werkzeugmaschinen, hydraulische Steuerungen, Automaten und Regeltechnik". Aus dieser Zeit stammen mehrere Patente Gatters für ölhydraulische Hochdruckpumpen. 1951 beauftragte ihn Ferry Porsche, Sohn seines im selben Jahr verstorbenen Weggefährten Ferdinand Porsche, mit der Entwicklung von Teleskopstoßdämpfern für den Porsche 356, den ersten Porsche Sportwagen, und für den sogenannten Brezelkäfer, den VW Typ 11, welcher nach dem Krieg in Serie gegangen war. Im Januar 1952 meldete Gatter dazu ein Patent zu "Steuerung des Dämpferwiderstandes von hydraulischen Teleskop-Stoßdämpfern" an.



Gatters Stoßdämpfer-Patente und Korrespondenz mit Ferry Porsche

In den Fünfziger Jahren plante Willibald Gatter auch eine Neuauflage seines Auto-Erfolges und entwarf einen preisgünstigen Kleinstwagen. In der Kirchheimer Krebenstraße, dort wo heute die Hallen des Segelflugzeugherstellers Schempp-Hirth liegen, baute er den Prototyp des "Gatter Mini", eines Wagens mit 300 ccm Motor und von der Leistungsstärke einem Goggomobil vergleichbar. In der Region um die Teck erprobte er das Fahrzeug auf seine Leistungsfähigkeit und jagte es unzählige Male die damals noch ungeteerte Ochsenwanger Steige hinauf und wieder hinab.

Trotz hervorragender Fahreigenschaften und eines Verbrauchs von nur zweieinhalb Litern auf 100 km sollte es nie zur Serienproduktion kommen. Mit dem anbrechenden deutschen Wirtschaftswunder schwand das Interesse der Verbraucher für Klein- und Kleinstwagen, und auch zunächst erfolgreiche Modelle wie die BMW Isetta (1955-1962), Lloyd (1953-1961) und der Messerschmitt Kabinenroller (1953-1964) wurden seit Ende der Fünfziger Jahre in immer geringeren Stückzahlen produziert und schließlich ganz verdrängt. Allein das seit 1955 produzierte Goggomobil vermochte den großen Straßenkreuzern amerikanischen Stils noch bis 1969 trotzen. So wandten sich auch die Investoren, die Gatters Kleinstwagenkonzept zunächst gefördert hatten, von dem Projekt ab - darunter auch Ferry Porsche und der Stuttgarter Stoßdämpferfabrikant Herion. Gatter hatte für die Entwicklung hin zu immer größeren, schwereren Wagen und zu immer mehr Chrom und Protz nur ein Kopfschütteln übrig: "soviel Blech für ein paar Kilo Menschenfleisch."


Prototyp des Gatter Mini (1956)

Dass der erst ab 1945 in Serie gebaute VW-Käfer diese Entwicklung überlebte, verdankt er einzig dem Umstand, dass er eigentlich nie der "Volkswagen" war, als der er schlechthin gilt. Der Käfer war nach dem Krieg mit 5000 Reichsmark weder billig in der Anschaffung, noch mit seinen 10 Litern auf 100 Kilometer sparsam im Verbrauch (ab 1946 konnte der er auf Bezugsschein gekauft werden ). Er war daher eigentlich immer ein Mittelklasse-Wagen gewesen und wurde in den Fünfziger und Sechziger Jahren zum Liebling der städtischen Mittelschicht.

Auch das Zeitalter der Vielfalt in der deutschen Autoindustrie ging nun zu Ende, und die Automobilbranche erfuhr eine Konzentration hin zu wenigen kapitalstarken Unternehmen. Selbst einst erfolgreiche deutsche Autobauer wie NSU, Auto Union (DKW) oder Adler fielen dieser Entwicklung zum Opfer. Erst in den letzten Jahren, geprägt von hohen Rohstoffpreisen und der Debatte vom Klimawandel, erfuhren die Klein- und Kleinstwagen - die "Cityflitzer", wie man sie gerne nennt - eine Renaissance mit Modellen wie Twingo, Ford Ka, oder KIA Picanto. Auch große Autobauer wie Daimler-Benz mit dem Smart oder BMW mit seinem Einstieg bei Rover und der Neuauflage des Mini, konnten sich diesem Trend nicht entziehen.